Samstag, 29. Oktober 2011

Klima im Wandel - Kommune im Wandel!


In der letzten Stadtverordnetenversammlung gab es eine Aussprache zum Thema „Stand Umsetzung Klimaschutzkonzeption“. Meine Gedanke, in der Debatte vorgetragen, können Sie hier lesen :-)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

zur gleichen Zeit, in der wir uns hier heute darüber verständigen, wie weit wir gemeinsam mit der Umsetzung der Klimakonzeption gekommen sind, hat die thailändische Bevölkerung den Kampf um ihre Hauptstadt Bangkok aufgegeben. Nach wochenlangen heftigen Regenfällen ist der Druck der Wassermassen aus dem Norden des Landes so groß, das Schleusen geöffnet und Dämme aufgegeben werde. Bangkok ist nicht mehr zu retten, über 340 Menschen verloren in den letzten Tage schon in den Wassermassen ihr Leben. Die Hoffnung des Landes besteht nunmehr „nur“ noch darin, dass das Wasser –ungeordnet zwar – dafür schnell Richtung Meer abfließen kann.

Ich sage das hier, weil ich weiß,

·         das manch einer noch immer den längst eingetretenen Klimawandel in all‘ seinen Folgen gerne anzweifelt, ihn negiert.
·         das Wetter- und Klimaveränderungen künftig keine „Inseln der Glückseligen“ schaffen werden, sondern alle gleich betreffen wird (unsere letzten Sommer und Winter sind auch nicht „normalen“ gewesen)
·         weil die These in der Klimaschutzkonzeption von der „Zunahme von Wetterextremen, die Einfluss auf unser aller Leben nimmt, die ausschlaggebend für die weitere Stadtentwicklung  ist bzw. den Stadtumbau notwendig macht“ längst eingetreten ist.

Beim Klimawandel scheint es so zu sein wie bei der Kommunikation. Er findet statt, egal ob wir das wollen oder nicht. Und es liegt an uns, ob wir bewusst ihn gestalten wollen, oder ob wir uns überraschen lassen. Wobei letzteres wohl nicht gewollt ist und wir hier in Füwa auch schon sehr viel weiter sind.

Ausgangspunkt unserer heutigen Aussprache ist der Bericht des Fachbereichsleiters Jürgen Roch in der letzten SVV zum „Stand der Umsetzung und ersten Ergebnissen der Umsetzung der Klimaschutzkonzeption“. Beides – Bericht und Konzeption – wurde auf Antrag meiner Fraktion und Beschluss durch dieses Haus erstellt.

Es geht heute nicht darum, Bilanz – möglichst kritische Bilanz – zu ziehen, sondern gemeinsam zu schauen:

wo stehen wir,
wo wollen wir hin,
wie gehen wir weiter?

Ich betone das WIR – Politik, Verwaltung, aber auch Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Handel, Industrie … .

Das mich der Bericht nicht befriedigt, wird Ihnen klar sein. Schon im Ausschuss versuchten wir den komplexen Ansatz der Klimaschutzkonzeption transparent und als Richtschnur zu definieren. Gelungen ist uns das bis jetzt noch nicht wirklich. Die verabredete Arbeitsgruppe tagte einmal - bei mangelhafter Besetzung durch die Fraktionen, die die Arbeitsgruppe ja im Fachausschuss gebildet hatten.

Das was bisher gemacht wurde ist gut und richtig, doch es reicht bei weitem nicht.
Es verdeutlicht vor allem:

·         Es reicht nicht, den ökologischen Umbau unserer Stadt auf die Nutzung erneuerbarer Energien zu beschränken. Der Dreiklang von Energiesparen – Nutzung Erneuerbarer Energien – Energiebewusst leben gelingt uns noch nicht.
·         Das Thema ist angekommen – aber erst mal nur in Teilen der Verwaltung. Aber es gibt noch viele Reserven, wenn wir an Beteiligung derer denken, die ich vorhin ins WIR eingeschlossen habe. Die Klimaschutzkonzeption leistet hier konkrete Vorgaben, angefangen bei einem Ständigen KlimaTisch, der die vielen Kompetenzen in der Stadt bündelt, der Interessierte bindet, der die Bewegung von unten breit trägt, bis zur bemerkenswerten Idee der Bauausstellung Fürstenwalde – eine Stadt meistert den Klimawandel (Verweis auf IBA Berlin 2020!)
·         Ein bisschen scheint mir auch, dass das gemachte auch ohne Klimaschutzkonzeption umgesetzt worden wäre, alleine weil es en vogue ist …
·         Wir dürfen die Verwaltung, besser den Fachbereich nicht damit alleine lassen. Nicht Herr Roch und seine Frauen und Männer gestalten für uns den Klimawandel!

Die globale Komponente ist uns LINKEN klar:

In ihr gibt es Zahlen, die eigentlich erschreckend sind, aber dennoch abstrakt wirken. Klimaforscher berichten von einem neuen Rekord. Die Menschheit hat im vergangenen Jahr 30,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. So viel wie noch nie. Geht das so weiter, dürfte das offizielle Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, kaum noch zu erreichen sein. So wird die Erde zu einem ungemütlichen Planeten.
Einen Aufschrei gibt es dennoch nicht. Die Zyniker dieser Welt haben dafür eine einfache Erklärung: Nicht Informationen, sondern Katastrophen belehren die Menschheit.
Erst wenn, wie in Fukushima, die tödlichen Folgen falscher Entscheidungen nicht mehr zu leugnen sind, gibt es eine Chance für mehr Vernunft. Zynismus mag manchmal schlau klingen, ist aber ein schlechter Ratgeber. Denn angesichts der ökologischen Herausforderungen gilt das kategorische Gebot vorausschauenden Handelns.
Die Klima- und Energiefrage wird bald spürbar zu einer Frage von Teilhabe und Gerechtigkeit, sie wird zu der sozialen Frage unseres Jahrhunderts. Dies nicht nur irgendwo und weit weg, sondern auch hier in Fürstenwalde. Unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen sei hierbei nur als legendäres Stichwort genannt.

Und Wandel vollzieht sich. Aktuelle Zahlen des Kraftfahrbundesamtes zeigen auf, dass die Zahl der männlichen Führerscheinprüflinge von 2007 zu 2010 um 11 % gesunken ist. „Ohne Lappen geht es doch auch …“ scheint hier das Motto zu sein.
In den neuen Studien des Deutschen Jugendforschungsinstitut ist der Trend ablesbar:
„Für den künftigen Prototypen junger Stadtbewohner gilt

A) mit komplexen Verkehrssystemen und -mitteln jederzeit flexibel unterwegs zu sein
B) dabei vieles nebenbei zu erledigen
C) fit zu bleiben.“

Ehrlich gesagt, das spricht alles vielmehr für den ÖPNV und das Fahrrad als für den individuellen Autoverkehr.

Wir als Stadtverordnete tun gut daran, unsere Stadt nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten, als mit den Antworten von gestern die Stadt von morgen zu gestalten. Dies fällt mir immer wieder ein, wenn wir zum Beispiel über das Sandstraßenprogramm des Bürgermeisters reden und entscheiden.
Die Haushaltssituation sollte uns immer zwingen, die Mittel in die nachhaltigsten und zukunftsfähigen Projekte zu stecken.

Doch gerade im Bereich des Umbaus unserer Stadt hinsichtlich der Mobilität und der verkehrlichen Infrastruktur gibt die Klimaschutzkonzeption eine eindeutige Richtung vor, unser kommunales Handeln jedoch negiert die Richtung und im Bericht von Herrn Roch gibt es gar nichts Berichtens wertes dazu. Das scheint mir ein großes Defizit.
Verkehrs- und Mobilitätskonzeption für Fürstenwalde: Hier müssen wir dringend ran!

Für die Fraktion DIE LINKE sage ich klar, die Erarbeitung einer nachhaltigen Verkehrs- und Mobilitätskonzeption, mit klaren Zielvorgaben wie Vorrang von ÖPNV und Radverkehr vor individualem PKW-Verkehr ist dringend geboten. Diese muss Grundlage sein, bevor wir weiter über den Bau von Betonstraßen nachdenken.

Wir brauchen nicht nur Elektromobile, sondern eine Renaissance preisgünstiger öffentlicher Verkehrssysteme, die es erlauben, den PKW-Verkehr in der Stadt zu halbieren. Wir brauchen nicht nur schicke Öko-Gebäude bzw. Leuchttürme, wie NCC oder das Jugendgästehaus, sondern auch lebenswerte und erschwingliche Stadtquartiere, die Arbeit und Wohnen wieder zusammenbringen. Am Naumann-Platz kann uns das gelingen, und wollen wir es nicht mal in der Bahnhofsvorstadt versuchen. Hier trifft Interesse auf Projektbedarf!

Wir brauchen keinen ressourcenfressenden Luxuskonsum, sondern mehr kulturelle und soziale Dienstleistungen, die kaum Natur verbrauchen, aber spürbar den Wohlstand steigern. Verallgemeinert könnte man sagen: Wir müssen die ökologischen Effekte aufspüren und verwirklichen, die im Systemischen liegen.

Das aber verlangt die Fähigkeit zur Vision und politische Entschlossenheit. Wer nicht den Mut hat, Infrastrukturen umzubauen und im ökologischen Interesse angestammte Eigentumsprivilegien anzutasten, springt zu kurz. Das häufig genannte Argument, dass die Politik nicht schlauer sein könne als der Markt, mag bei einzelnen Technologien zutreffen. Für das Ressourcenproblem insgesamt ist dieses Argument sicher falsch, wie sogar die schwarz-gelbe Bundesregierung indirekt zugibt, wenn sie ein Energiekonzept mit dem Planungshorizont von 40 Jahren vorlegt. Ohne politische Lenkung – das zeigen die früheren Erfahrungen intensiven Strukturwandels – ist ein zügiger Umbau wirtschaftlicher Aktivitäten nicht möglich. Deshalb muss das Gemeinwesen auch in eigener Regie, mit eigener wirtschaftlicher Kraft handeln können. Ich sehe hier einen klaren Auftrag an unsere städtischen Gesellschaften, vielleicht auch den Bedarf einer kommunalen Entwicklungsgesellschaft, die uns hilft, den ökologischen Stadtumbau voranzutreiben.

Klima im Wandel – Kommune im Wandel.
Dies ist Auftrag an uns Stadtentwicklung nachhaltig und gerecht zu betreiben.
Hier liegt die Aufgabe dieser Stadtverordnetenversammlung und dieser Verwaltung:
Die Grundlage für ein ökologisch nachhaltiges, gerechtes und soziales Fürstenwalde zu legen. Dies ist vergleichbar mit der Arbeit und dem Anspruch der Stadtmütter und-väter Anfang und Mitte der 90er Jahre.
Deshalb, lieber Herr Bürgermeister, darf ihre Amtszeit keine des Übergangs sein, keine in der alle großen Aufgaben und Projekte schon erledigt sind. Deshalb, lieber Herr Bürgermeister, macht es Sinn, wenn Sie sich in diesen Prozess, in diese Debatte aktiv mit einbringen und nicht nur den Fachbereich „mal machen lassen“.
Denn wir reden hier über die wichtigste Querschnittsaufgabe unserer Tage.

Gute Beispiele finden wir überall – und Themen, die wir in Fürstenwalde auch längst diskutieren:

Als einer der ersten Orte in Deutschland versorgt sich die niedersächsische Gemeinde Jühnde seit 2005 selbst mit Strom und Wärme. Landwirtschaftliche Produkte wie Gras, Raps und Gülle erzeugen nun Wärme und Elektrizität für die Gemeinde. Für extreme Winter gibt es ein Holzhackschnitzel-Heizwerk. Das alles zahlt sich aus: Für Wärme und Elektrizität zahlen die Bewohner um bis zu 50 Prozent niedrigere Preise, verglichen mit den üblichen Marktpreisen.

Hier in Fürstenwalde müssen wir noch intensiv konzeptionell und später auch materiell investieren in unser Idee vom dezentralen Kraftwerk: Photovoltaik (Stichwort kommunales Dächerprogramm), Wind, Kraft-Wärme-Kopplung und Biogas (zum Bsp. unser Klärwerk als Basis).
Die Idee ist alt, viele kleine dezentrale Energiererzeuger schaffen den Wechsel. Kommunal gelenkt können wir es schaffen.

Und wir müssen Energie einsparen, im öffentlichen Raum ist damit begonnen.
Im Stadtentwicklungsausschuss wurde erst in der vorgestrigen Sitzung zu Recht die Umrüstung der Beleuchtungsanlagen im Stadtpark angemahnt. Ein deutlich kritischer Blick auf die Planung zur Gestaltung des Stadtparkes aus Mitteln der Stadterneuerung / Soziale Stadt wäre hier dringend geboten. Angedacht ist es nämlich schon, wird nur von HH-Jahr auf HH-Jahr verschoben. Bis irgendwann die Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen weil die Förderperiode ausgelaufen ist. Wir dürfen das Geld nicht verschenken!

Ein thematischer Einschub im Vorgriff auf die HH-Debatte: Deshalb ist es aus meiner Sicht so wichtig, die bewilligten Fördermittel aus Nachhaltige Stadtentwicklung, Stadtsanierung und soziale Stadt mit Kofinanzierungsmittel für die Stadt abzurufen. Und nicht unsere Eigenanteile in den Sandstraßenbau zu binden, denn die Einnahme = Beiträge der Bürger steht uns auch nach der aktuellen Förderperiode der EU weiter zur Verfügung.

Beim Thema Erneuerbare Energie und Energieeinsparung brauchen wir die Bürgerinnen und Bürger, die Vereine, Handel und Industrie!
Es muss unser gemeinsames Projekt werden.
Lassen Sie uns doch in einer Reihe von Einwohnerversammlungen unser Handlungskatalog erarbeiten, entwickeln und umsetzen. Unser Fürstenwalder Energiekonzept 2020!

Ein ehrgeiziges Ziel verfolgt um Beispiel auch die Stadt München (damit ich nicht nur ein Dorf als Beispiel anführe): Bis zum Jahr 2025 will sie weltweit die erste Millionenstadt sein, die ihren gesamten Strombedarf (Privathaushalte und Industrie!) mit Ökostrom deckt. Der Schlüssel dazu sind die im kommunalen Besitz befindlichen Stadtwerke. Sie investieren in Biogas-, Wind-, Solar-, Geothermie- und Wasserkraftanlagen. Noch vor ein paar Jahren wurde Münchens Oberbürgermeister Christian Ude verspottet, weil er die Stadtwerke nicht verkaufen wollte. Schon jetzt können aus eigener Kraft und preisgünstiger als in anderen Städten zirka die Hälfte der 800 000 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden.

Im sächsischen Zschadraß erhalten Kinder einkommensschwacher Eltern ihr Mittagessen kostenlos. Der Grund: Eine kommunale Stiftung betreibt eines der größten Windräder der Region. Die Gewinne fließen in soziale und ökologische Projekte. Auf fast allen Gemeindegebäuden befinden sich Photovoltaikanlagen. Die Gemeinde deckt dadurch fast 90 Prozent ihres Energiebedarfs und schont die Gemeindekasse. In Zschadraß wurde im Jahr 2002 die erste CO2-neutrale Turnhalle Sachsens gebaut. Im dortigen Keller steht eine Heizung auf Holzhackschnitzel-Basis. Die versorgt den Kindergarten, einen Hort, die Gemeindeverwaltung und die Sportlergaststätte …
Noch muss die Gemeinde Kredite für einige Anlagen abzahlen. Sind die erst einmal beglichen, sollen mit den Gewinnen für alle Kinder im Ort kostenlose Kita-Plätze entstehen.

Gute Vorbilder für unsere Stadt, meine ich!

In der Klimaschutzkonzeption reden wir – neben dem Energiemanagement, dem Ökologischen Bauen und der Bürgerbeteiligung – auch vom notwendigen grünen Umbau der Stadt:
Klimaschneisen schaffen, intelligentes Wassermanagement, städtisches Grün, Waldumbau

Hierzu sagen wir im Moment gar nichts, außer Parkgestaltungen, die sowieso kamen.
Über Dachbegrünungen, mehr Straßenbäume „Grüne Lungen“ wird eher verschmitzt gelacht. Zumindest geht es mir im Aufsichtsrat WOWI so, wenn ich mal wieder nach der Grüngestaltung der Fürstengalerie im Zuge der Grüngestaltung Reinheimer Straße frage …

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

Ideen haben wir und Sie sicher noch genügend.

Heute geht es darum, die Grundlage zu legen, eine Diskussionskultur zu schaffen in der alles gehört, eingebracht, gewichtet und nach Abwägung umgesetzt werden kann. Nicht alles gleich und sofort sondern gemeinsam gewichtet und gewertet und getragen.
Im Anschluss an unsere heutige Diskussion soll der Fachausschuss gemeinsam mit der Verwaltung den Handlungsrahmen bestimmen und mit den nächsten notwendigen Entscheidungen hier wieder aktiv werden.

Einstein sagte einmal, dass wir die Chance haben, die Welt in ratio, als Welt in Funktion zu betrachten, oder als ein einziges Wunder … Ich bin für das einzige Wunder.
Schaffen wir also gemeinsam viele kleine zum Erhalt des einen großen Wunders.
Und beginnen wir so die Erneuerung unserer Stadt!

Herzlichen Dank!