Montag, 14. Juni 2010

Notwendige Überlegungen zur Wahl des 1. Beigeordneten in Fürstenwalde

von Stephan Wende, Fraktionsvorsitzender der LINKEN Fürstenwalde (aufgeschrieben vor der Abstimmung in der SVV am 10.6.)

Die Vorauswahl der KandidatInnen für das Amt des 1. Beigeordneten fand auch diesmal mit der höchst lobenswerten Offenheit und im konstruktiven Miteinander der Fraktionen und der Verwaltung statt. Das ist nicht überall üblich, umso mehr sticht es positiv hervor und muss von mir hier als erstes anerkennend und dankbar erwähnt werden.

Nach der Vorauswahl - im Übrigen auch für die Stelle des Fachbereichsleiters Soziales und Ordnung - fiel eins unangenehm auf:

Unter den BerwerberInnen findet sich keine qualifizierte Frau. Das ist mehrfach ärgerlich, zeigt es doch, dass in unserer Gesellschaft offensichtlich immer noch eine strukturelle Benachteiligung von Frauen stattfindet. In diesem Sinne ist das Wirken von Frau Trilling, der Gleichstellungsbeauftragten, für das Projekt "Frauen.Macht!" in der nächsten Frauenwoche nur zu unterstützen und gleichsam müssen wir überlegen, was wir tun können, um die qualifizierten Frauen in der Verwaltung zu ermutigen, den Schritt in die 1. Reihe zu wagen. Hier scheint mir, das es Zeit ist, für ein gezieltes Personalentwicklungskonzept.

Und es ist ärgerlich, weil unabhängig von der heutigen Entscheidung die Verwaltungsspitze ausschließlich männlich besetzt ist. Als Mann darf ich hier sagen: Das scheint mir nicht gerecht und auch nicht richtig.

Und es fiel ein zweites auf:

Wir haben nach der Schlussrunde zwei veritable Bewerber: Beide fachlich hervorragend geeignet, den Aufgaben sich zu stellen. Und beiden gereicht der eigene Vorteil gleichsam zum Nachteil.

Die Fürstenwalde - Ferne des einen wird von Teilen des Hauses (auch aus meiner Fraktion) sehr geschätzt, bietet diese doch die Chance des berühmten - und offensichtlich gewünschten, manchmal vermissten - Blicks von außen.

Dasselbe gilt genauso umgekehrt für die Nähe des anderen. Er ist dicht dran am Fürstenwalder Weg, kann auf unseren Zug sofort aufspringen. Ohne Stopp und ohne Richtungsüberprüfung. Wer sich dies vor Augen führt, merkt unweigerlich, es ist eine zutiefst politische Entscheidung, die wir hier heute treffen müssen.

Deshalb haben wir LINKEN uns die Entscheidung nicht leicht gemacht - und vielleicht auch wegen unserer berühmten Diskussionsfreudigkeit untereinander und außerhalb.

Und beiden Kandidaten darf ihre Bekanntheit und/oder Unbekanntheit nicht zum Vor- bzw. Nachteil ausgelegt werden. Der Kreisdezernet Fehse hat das Recht und die Chance, hier in Fürstenwalde anders - besser - zu agieren als in letzter Zeit in Beeskow. Und auch Herr Kirchdörfer ist nicht perse der Bessere,
nur weil wir von ihm sehr viel weniger wissen, teilweise selber erfahren konnte.

Die LINKE in Zwickau ist übrigens ähnlich Fürstenwaldes auch die stärkste Fraktion. Das ist gut für Zwickau und gut für uns - konnten wir doch auch direkt vor Ort uns erkundigen. Das haben andere Fraktionen sicher auch getan.

Wir haben beide Bewerber nochmals in unsere Fraktion eingeladen - übrigens gemeinsam mit unseren Kollegen von Bü90/Die Grünen - und durften beide nochmal persönlich kennenlernen und eine jede und ein jeder von uns sie nach ihrer Vita, ihren Überzeugungen - auch Visionen für Fürstenwalde befragen. Es
entspann sich in beiden Fällen ein spannender und inhaltsreicher Diskurs - ein Diskurs der gerne von unserer Fraktion mit beiden Kandidaten fortgeführt werden würde.

Manch einem hier im Hause wäre eine Entscheidung zwischen zwei Kandidaten lieber. Doch dies geht nicht - hier ist die Gemeindeordnung davor - und nicht ein böser Wille des Bürgermeisters. Ich sage dass so deutlich, da ich weiß, dass dies in der Öffentlichkeit anders diskutiert wird.

Nach den Gesprächen mit den Kandidaten, Diskussionen untereinander und mit vielen KollegInnen des Hauses haben wir am Montag in einer letzten Trendabstimmung uns darauf geeinigt,

dass die LINKE Herr Dr. Fehse mehrheitlich im 1. Wahlgang nicht wählen wird.

Dafür gibt es verschiedene Gründe:

a) wir wollten den Blick von Außen und wir wollten verhindern, dass der Eindruck in Fürstenwalde entstehen kann, dass hier "gemauschelt" wurde.Schon im Bürgermeisterwahlkampf habe ich davor gewarnt, auch nur den Eindruck zu erwecken, dass in Sache 1. Beigeordneter schon alles entschieden ist. Unabhängig vom Wahlausgang. Doch genau dies findet jetzt statt. Vom berühmten Deal zwischen der SPD und dem Bürgermeister ist allerorten die Rede. Ich erkenne an, beide - SPD und Bürgermeister Hengst - verneinen
diesen Zusammenhang von Anfang an. Jedoch es steht weiter im Raum.
Die Folgen für Fürstenwaldes demokratische Zivilgesellschaft sind verheerend: Wir wollen den mündigen Bürger! Das setzt voraus, dass dieser partizipieren kann und nicht das Gefühl von "denen da oben, die eh alles ohne uns machen" hat.

b) Wir glauben nicht an den moralischen Neuanfang des Duos Hengst und Fehse. Es fehlt uns der Glaube, an die versprochene Offenheit und Ehrlichkeit. LEIDER: Hier überlagern sich doch unsere gemachten Erfahrungen mit den erhofften Veränderungen. Das was der Fürstenwalder schreibt, ist nicht immer richtig - auf alle Fälle nicht mehr im Hier und Heute - aber es beschreibt einen Stil des Handelns. Diesen wollen wir nicht verstärken. Das setzt einen Kämmerer voraus der auch widerspricht, laut und vernehmlich. Wir sehen aber durch das Verfahren (die gescheiterte Landrats-Bewerbung, unterstellter SPDBgM- Deal) eine unnötig große Abhängigkeit von Dr. Fehse gegenüber Herrn Hengst. Hier ist kein klares Nein, kein klarer Stopp möglich. Dies ist für uns eine klare Gefahr.

c) Wir haben die Entscheidung auch mit den Mitgliedern und Sympathisanten der LINKEN in Fürstenwalde offen und engagiert diskutiert und mit ihrer Hilfe versucht wahrzunehmen, was Fürstenwalde, was unsere Wähler möchten: wir schon im Bürgermeisterwahlkampf - eben kein Weiterso!.

Liebe Frau Wagner, an dieser Stelle möchte ich mich für die sehr offenen Worte, die wir in der letzten Zeit austauschen konnten, sehr herzlich bedanken. Ich hoffe, dass trotz unseres heutigen Abstimmungsverhaltens, das erarbeitete Vertrauen weiter wachsen darf. Sie luden uns ein, dem Wahlvorschlag und SPD-Genossen Fehse zu folgen. Ich glaube, wir lehnen nicht ab, weil der Vorschlag von der SPD kommt, sondern weil er Fehse heißt. Das ist ein feiner aber wichtiger Unterschied.

Gleichzeitig möchte ich mich bei meiner Fraktion bedanken - für die konstruktive und immer ernsthafte Debatte. Und dafür, dass jede und jeder seine Meinung vertreten durfte und heute hier auch vertreten darf. Das es bei uns keinen Fraktionszwang gibt, wissen sie vielleicht. Noch wichtiger aber ist, das dies von allen akzeptiert wird und nicht versucht wird, blinden Druck auszuüben. Auch aus diesem Grunde werden wir am Ende des Wahlganges Stimmen für Herrn Fehse auch von uns LINKEN finden.

Ob es zu einem zweiten Wahlgang kommt, liegt nicht nur an uns und sollte im Lichte des Wahlergebnisses entschieden werden. Wohlüberlegt - das empfehle ich.

Ein knappes Ergebnis ist vielleicht ein ehrliches Ergebnis. Ein Ergebnis, lieber Herr Dr. Fehse, welches analysiert, besprochen und verarbeitet gehört. Sozusagen einer Leitplanke gleich. Vom Weg abgekommen, aber es ist noch korrigierbar.

Lieber Herr Fehse, falls Sie heute die Mehrheit der Stimmen dieses Hauses auf sich vereinigen können, wünsche ich Ihnen erfolgreiches agieren. Unsererseits ist die Tür nicht verschlossen, im Gegenteil. Wir laden dazu ein gegenseitig Vertrauen zu erarbeiteten.

Das ist wichtig für Fürstenwalde. Denn wir haben noch einiges gemeinsam vor.